ein erfolgreicher Laager Leichtathlet in den 50er Jahren.
Wer war Klaus Rüstow?
Es gibt wohl nur noch wenige Laager Bürger, die mit diesem Namen etwas anfangen können.
Weiterlesen: Klaus RüstowKlaus war der ältere von zwei Jungen der Kaufmannsfamilie Rüstow, die 1938 das Otto Intze Geburtshaus in der Breesener Straße 21 (zu der Zeit Horst- Wessel- Straße 8) vom Kaufmann Otto Kluth gekauft hatte und nach denkmalschutzgerechten baulichen Veränderungen in diesem bis 1945 eine Filiale der Mecklenburgischen Depositen- und Wechselbank und bis 1972 ein Lebensmittelgeschäft betrieben haben.
Klaus wurde am 14. November 1937 geboren als unsere Eltern noch eine Filiale des Hamburger Handels- konzerns Thams & Garfs am Laager Markt führten.
1952 als Schüler der 8. Klasse wurde Klaus vom damaligen für den Laager Sport so verdienstvollen Sportfunktionär und -lehrer Willi „Papi“ Arndt angehalten, sich als Leichtathlet aktiv am Wettkampfgeschehen zu beteiligen und dazu ein geregeltes Training aufzunehmen, Willi Arndt hatte offensichtlich im Verlauf seines Sportunterrichts an der Schule das zweifellos vorhandene Talent von Klaus erkannt. Wenn man zu dieser Zeit von Training spricht, kommt man nicht umhin, sich die damaligen Trainingsbedingungen vor Augen zu führen. Was Willi Arndt seinerzeit auf die Beine stellte, war reine Pionierarbeit. Er tat es aber mit einer Begeisterung, die sich sehr schnell auf eine relativ große Schar von Erwachsenen und Jugendlichen übertrug.
Man kann mit Fug und Recht sagen, Laage entwickelte sich zu diesem Zeitpunkt zu einer leichtathletischen Hochburg, nicht nur im Kreis- und Bezirksmaßstab, sondern auch DDR-weit, zumindest wenn es um die Spartakiaden der Sportvereinigung „Traktor“ ging.
Und nun zu den Bedingungen für das leichtathletische Training:
Eine komplette Wettkampfanlage gab es nicht. Lediglich eine provisorische Weitsprunganlage war vorhanden. Das Lauftraining und sogar eine damals im Bezirksmaßstab durchgeführte Crossveranstaltung fanden ausschließlich im Laager Stadtwald statt. Gesprintet wurde im sogenannten Hauptweg des Laager Waldes. Die Umgehungsstraße gab es zu dieser Zeit noch nicht. Als „Startmaschienen“ dienten einfach in die Erde gebuddelte Löcher. Das Hammerwurftraining fand z.B. in einer „Sandwüste“ statt, etwa in dem Bereich, wo heute die Sporthallen stehen. Das hatte allerdings auch den Vorteil, dass man weich fiel, wenn man den Hammergriff nicht beherrschte und nach Drehung und Abwurf des Hammers durch diesen zu Fall gebracht wurde.
Die Speer-und Diskuswerfer konnten den damaligen Sportplatz nutzen, der heute als Kunstrasenplatz ideale Bedingungen für die Nachwuchsfußballer bietet.
Die regulären Wettkampfbedingungen konnten die Laager Leichtathleten lediglich bei Wettkämpfen in anderen Städten nutzen.
Ungeachtet dieser Bedingungen war die von Willi Arndt entfachte Begeisterung für die Leichtathletik und der Trainingsfleiß so groß, dass sich die Erfolge bei Klaus und vielen seiner Mitstreiter relativ schnell einstellten. Als 14jähriger nahm Klaus am 25. Mai 1952 an seiner ersten Kreismeisterschaft in Güstrow in der B-Jugend Klasse (Altersklasse 15/16) teil und gewann den 100m Lauf und den Weitsprung mit Kreisbestleistungen sowie das Speerwerfen.
Von der noch im gleichen Jahr am 21. und 22. Juni in Schönberg (MV) stattgefundenen Landesspartakiade der Sportvereinigung „Traktor“ trat Klaus mit Siegen im Speerwurf und im Dreikampf die Heimreise an.
Die Schlagzeile der SVZ lautete: „Traktor Laage war erfolgreichste BSG mit zwölf Siegen“.
Auf die Landesspartakiade folgte vom 29. bis 31. August 1952 die II. Zentrale DDR – Spartakiade der SV „Traktor“ in Landsberg/Saale.
Die ersten Olympischen Sommerspiele, die diese Laager Generation der Jugendlichen aus den damals für die Allgemeinheit zur Verfügung stehenden Medien Rundfunk und Presse verfolgen konnten, waren zehn Tage zuvor in Helsinki zu Ende gegangen und obwohl die Athleten der DDR noch nicht teilnehmen durften, entfachten sie aber unter den Jugendlichen eine zusätzliche Begeisterung für die Leichtathletik. Ich erinnere mich noch sehr gut an Diskussionen über die Spiele, die Klaus mit seinen Freunden geführt hatte.
Die Erfolge des tschechischen Langstrecklers Emil Zatopeks, dem dreifachen Sieger, standen dabei im Mittelpunkt.
Die Wettkämpfe in Landsberg waren dann auch für Klaus sehr erfolgreich. Mit Siegen über 100m, im Speerwurf und im Kugelstoßen gehörte er zu den erfolgreichsten Athleten.
In der am 24. 02. 1953 im Zentralorgan des Sports der DDR, dem „Sportecho“ veröffentlichten Bestenliste des Bezirkes Schwerin für das Jahr 1952 der männlichen Nachwuchsathleten (die B- u. A-Jugendlichen zusammengefasst, also der Altersklasse von 15 bis 18 Jahre) waren folgende Laager unter den zehn Besten vertreten:
– Klaus Rüstow (als 14jähriger) über 100m, Weitsprung, Kugelstoßen und Speerwurf, – Ludwig Stüdemann über 1000m und im Hochsprung und – Klaus Herzberg und Dieter Böldt im Diskuswurf.
In seiner Auswertung der Leistungen formulierte das „Sport Echo“ u. a: „Als Schwerpunkt unserer Jugendarbeit dürften wohl Laage, Wittenberge und Schwerin angesehen werden“.
In der 50- Besten – Liste der DDR 1952 im Fachblatt „Leichtathletik“ vom 02. 02. 1953 wurde Klaus in der Altersklasse B-Jugend mit seinen 14 Jahren in der Disziplin Speerwurf mit einer Weite von 43,80m an 15. Stelle geführt. Auf Grund seiner Leistungen erhielt er eine erste Einladung zu einem Leichtathletiklehrgang vom Landessportausschuss Mecklenburg für die Dauer vom 10. bis 28.08. 1952 in Güstrow.
Nach Schulabschluss begann Klaus am 1. September 1952 eine Lehre beim Uhrmacher Lange in der Breesener Straße 53.
Als Konsequenz aus den Erfolgen der Laager Leichtathleten wurde Hans Janzon 1953 als Übungs- leiter Leichtathletik, auch zur Entlastung von Willi Arndt, eingestellt, der sich auf Grund seiner vielfältigen Aktivitäten im Schulsport und im Verein nicht mehr intensiv genug um die Leichtathleten kümmern konnte. Hans Janzon widmete sich nun ausschließlich dem Ziel, auch als Aktiver, die Laager Leichtathleten in der Spur zu halten. Wenn ich mich richtig erinnere, blieb er aber nur bis 1955 in Laage und wechselte mit der Sportclubbildung in der DDR und nach Erwerb des Trainerdiploms zum SC „Traktor“ Schwerin. In den 60er Jahren trainierte er beim SC u.a. auch den Laager Mittelstreckenläufer Rolf Berndt, über den bereits im zweiten Heft der „Erinnerungen“ berichtet wurde.
Die Erfolge der Trainingsarbeit des Übungsleiters stellten sich schnell ein. Bereits bei den Kreis- meisterschaften 1953 überboten sie alle Erwartungen. Zitat der Presse: „Traktor Laage stellte die meisten Teilnehmer und konnte auch mehr als die Hälfte der Titel erringen“.
Die Laager stellten allein 20 Titelträgerinnen und – träger mit insgesamt 3o Titeln. Klaus leistete seinen Beitrag mit Siegen über 100 m, im Kugelstoßen und im Speerwurf. Die erfolgreichste Athletin war Lotte Steinfeld mit fünf Titeln bei den Frauen.
Auch bei der Bezirksspartakiade „Traktor“ in Karstädt vom 27. und 28. Juni 1953 setzten sich die Erfolge fort. Die Presse- Schlagzeile lautete: „Laager Leichtathleten erfolgreichste Delegation auf der Bezirksspartakiade“ „so konnte die BSG Traktor Laage mehr als die Hälfte der zu vergebenen Titel mit nach Hause nehmen.“
Es waren insgesamt 32 Titel. Am erfolgreichsten waren Klaus mit sechs, Hans Janson mit fünf, Susanne Lehmann mit vier und Karla Niemann mit drei Siegen.
Fotosammlung Rüstow
Auf dem Bild einige Teilnehmer der Laager Mannschaft in Karstädt. Obere Reihe v.l.n.r.: Pinkowski, Burr, Böldt, Rüstow, Stüdemann Mittlere Reihe v.l.n.r.: Niemann, Herzberg, Grützner, Gaevert, Ahrens, Dahl, Habenicht Untere Reihe v.l.n.r.: Rüchel, Ohloff, Steinfeld, Jöns, Wellbrock, Lehmann, Lux
Auch bei der III. Zentralen DDR – Spartakiade der SV „Traktor“ vom 24. bis 26. August 1953 in Landsberg (Saalekreis) setzten sich die Erfolge fort.
Die Presseschlagzeile lautete: „Traktor Laage- zweitbeste BSG der SV Traktor in der DDR“.
Als Sieger gingen bei den Männern Hans Janzon über 100 m, bei den Frauen Lotte Steinfeld über 80 m Hürden, bei der männlichen Jugend B Klaus über 80 m Hürden und im Vierkampf und bei der weiblichen Jugend B Lydia Göldenitz über 80 m Hürden sowie Edith Jöns im Speerwurf hervor. Eine Vielzahl an zweiten und dritten Plätzen vervollständigten den Erfolg.
Klaus als Sieger im Endlauf über 80 m Hürden: Fotosammlung Rüstow
Anlässlich der Spartakiade wurde Willi Arndt mit der Ehrennadel der SV „Traktor“ ausgezeichnet.
Klaus hatte sich mit seinen Leistungen im Jahr1953 in die DDR – Spitzenklasse der Jugend B begeben. Die im Fachorgan der DDR „Der Leichtathlet“ 1954 veröffentlichte 50-Besten–Liste für das Jahr 1953 führte ihn als DDR–Besten im Speerwurf mit einer Weite von 47,22 m und in den Disziplinen 100 m mit 11,9 Sek. und im Weitsprung mit 5,99 m jeweils an 6. Stelle.
Das hatte zur Konsequenz, dass er als 15jähriger vom 15. bis 22. August 1953 zum Leichtathletikspitzen- und Nachwuchslehrgang in die damalige Zentrale Trainingsstätte der DDR nach Greiz eingeladen wurde. Klaus, DDR-Bester im Speerwurf der männlichen Jugend B 1953 Fotosammlung Rüstow
Es folgten 1953 noch Nominierungen in die Bezirksauswahl Schwerin zu Vergleichskämpfen mit den Auswahlmannschaften der Bezirke Rostock und Neubrandenburg in Rostock, in die DDR-Auswahl der SV „Traktor“ zu Vergleichen mit der DDR-Auswahl der SV „Aktivist“ in Holzweißig/Bitterfeld, mit den DDR- Auswahlmannschaften der Sportvereinigungen „Aufbau“, „Stahl“ und „Medizin“ in Schwerin sowie für einen Vergleichskampf mit der SV „Aktivist“ in der Güstrower Kongresshalle.
Alle Bilder aus der Fotosammlung Rüstow
Oberes Bild links: DDR – Auswahl der SV „Traktor“ über 4 mal 100 m, Holzweißig / Bitterfeld
31. 08. 1953 v.l.n.r.: Ritzmann, Kabach, Engel, Rüstow Oberes Bild rechts v.l.n.r .: Janzon, Rüstow, Lux, Pinkowski, Göldenitz
Unteres Bild: Bezirksstaffelmeisterschaften 06. 09.
1953, die Laager 4 mal 100 m und Olympische Staffel, v.l.n.r.: Gaevert, Ahrens, Dahl, Rüstow
Der Höhepunkt war dann die Nominierung in die Auswahl Mecklenburgs (Bezirke Rostock, Schwerin und Neubrandenburg) zu einem Vergleichskampf mit der Landesauswahl Schleswig-Holsteins.
Das Jahr 1953 war für Klaus zweifellos das erfolgreichste Jahr in seiner sportlichen Laufbahn, es war aber auch das letzte Jahr, in dem er den Sport ernsthaft ausübte.
Willi Arndt und auch seine Sportfreundin Lotte Steinfeld animierten ihn zu dieser Zeit, seinen beruflichen Werdegang auf eine Ausbildung auf sportlichem Gebiet als Sportlehrer oder Trainer umzustellen. Lotte Steinfeld hatte diesen Weg bereits schon eingeschlagen. Sie war nach ihrer Ausbildung als Sportlehrerin bekanntlich viele Jahre an der Laager Schule tätig.
Willi Arndt hatte Klaus dazu auch bereits den Weg aufgezeigt und Unterstützung angeboten. Klaus konnte sich sehr schnell dafür begeistern und brach abrupt seine Uhrmacherlehre ab. Das fand nun aber überhaupt keine Zustimmung unserer Eltern, zumal unser Vater zum damaligen Zeitpunkt absolut der Meinung war, dass sich auf Dauer kein Staat eine so kostspielige Unterstützung des Sports leisten könne wie sie sich zum damaligen Zeitpunkt in der DDR vollzog und es demzufolge auch keine berufliche Zukunft auf diesem Gebiet geben kann. Sicher kann man ihm im Nachgang diese Fehleinschätzung nicht verübeln. Wer konnte denn damals voraussehen, welche politische und kommerzielle Bedeutung der Sport einmal weltweit darstellen würde. Heute ist der Spitzensport ja leider zum Milliardengeschäft und zum Tummelplatz korrupter Sportfunktionäre und -verbände verkommen. Letztendlich beugte sich Klaus, wenn auch widerwillig, dieser Argumentation und begann am 1. September 1953 eine Lehre als Starkstromelektriker beim VEM Anlagenbau in Rostock. Noch im gleichen Jahr wurde er in Rostock wohnhaft und betrieb die Leichtathletik nur noch halbherzig mit der Konsequenz eines bescheidenen Erfolgs. 1956, nach erfolgreichem Abschluss seiner Lehre, erhielt er von seiner Firma eine Delegierung an die Ingenieurschule für Elektrotechnik in Ilmenau. Diese konnte er aber nicht mehr wahrnehmen. Am 14. Juli des Jahres verunglückte Klaus tödlich im Alter von 18 Jahren. Er bleibt bei allen, die ihn näher kannten, unvergessen.
Eine Anmerkung:
Mit der zentralen Konzeption für die Entwicklung des Leistungssports in der DDR, die u.a. ab 1955 in der Konzentration leistungsfähiger Jugendlicher in Kinder- und Jugendsportschulen sowie in Sportclubs ihren Niederschlag fanden, ging auch der Erfolg der Leichtathletiksektionen der Betriebssportgemein- schaften zurück. Das hielt Willi Arndt aber nicht davon ab, auch bis zum Ende des Jahrzehnts und darüber hinaus, den Nachwuchs für die Leichtathletik zu begeistern, Talente zu fördern und auf Wettkämpfen vorzubereiten. Ein wesentlicher Schritt zur Verbesserung der Trainings- und Wettkampfbedingungen in Laage war die Inbetriebnahme des Sportplatzes mit Aschenbahn, Sprunganlagen und Anlagen für die technischen Disziplinen am 6. Oktober 1957.
Sportplatzeinweihung 1957, Start zum 1000 m Lauf mit nur zwei Teilnehmern Fotosammlung Rüstow
Auf dem Bild v.l.n.r.: Teilnehmer unbekannt, Axel Kaspar, später Bekannter Fernseh- Journalist beim Deutschen Fernsehfunk und Willi Arndt als Starter
Quellennachweis:
Der umfangreiche Nachlass über die Aktivitäten und Erfolge des Sportlers Klaus Rüstow und der Laager Leichtathleten in den Jahren 1952 bis 1954 im Besitz von Heino Rüstow.