Das Gesundheitswesen im Wandel der Zeit
In vielen chronistischen Schriften über die Stadt Laage äußern sich die Autoren immer wieder über Zeiten, in denen Seuchen und Epidemien die Stadt heimsuchten. Noch Mitte des 19. Jahrhunderts häuften sich die Fälle von Ruhr, Typhus, Cholera, Diphterie und Scharlach. Folgende Ursachen wurden für das verstärkte Auftreten dieser Krankheiten genannt: Durch die Stadt Laage führten seit Entstehung des Ortes wichtige Verkehrswege in Nord/Südrichtung und in Ost/Westrichtung. Ausschlaggebend war dafür der frühe Bau einer Brücke über die Recknitz. Daraus resultierte auch bekanntlich der Name „Brückenort“. Besonders in den Zeiten des Sieben- und des Dreißigjährigen Krieges waren diese Wege hoch frequentiert. Viele Menschen, ob krank oder gesund, sowohl in Friedenszeiten wie auch in Kriegszeiten, zogen durch den Ort Laage, übernachteten hier und hinterließen dabei entsprechende Spuren. Es waren Spuren der vielfältigsten Art. In diesem Fall nenne ich sie einmal „Keimspuren“ als Verursacher vieler Krankheiten.
„Unterstützung“ fanden diese Spuren durch die späte Vollendung der Kanalisation. So nannte man in den 1950er Jahren die Rosmarienstraße noch „Fullschettenemmerstrat“. Es war eine Straße, die noch teilweise unter mittelalterlichen Bedingungen bewohnt wurde. Über die Rinnsteine floss links und rechts stinkende Gülle die Straße herunter und gelangte erst am Ende der Straße in die Kanalisation der Hauptstraße. Auch ich war im Haus Nr. 3 einige Jahre Bewohner dieser Straße. (Siehe dazu auch mein Beitrag im Buch I der „Laager Geschichten“ vom Heimatverein Laage).
Auch Nachrichten über die Betreuung der Laager Bürger durch Chirurgen und Doktoren sind vor Beginn des 18. Jahrhunderts in Chroniken und Akten nicht vorhanden. Es ist nur von Quacksalbern und Wunderdoktoren die Rede, die das Püstern und Suchtenbrechen beherrschten und zur Anwendung brachten. Der erste ordentliche Arzt in Laage, so im Güstrower Kreisarchiv vermerkt, hieß Brückner, der im Jahre 1818 in Laage sesshaft wurde. Voraussetzung für seine Tätigkeit, so ist es dort ebenfalls zu lesen, war der Erlaß der Obrigkeit des Landes vom 1. Juli 1774, wonach nur Menschen, die ein Examen oder einen Lehrbrief zum „Kuren“ hatten, diese Tätigkeit auch ausführen durften. Die ärztliche Kunst des Kurens beschränkte sich auf die Behandlung von Wunden, Aderlass, Schröpfen usw.
Im Jahre 1797 wurde der Magistrat der Stadt Laage aufgefordert, eine geprüfte Hebamme zu bestellen, denn zu oft gab es in den letzten Jahrzehnten noch Totgeburten und Sterbefälle bei den Geburten, weil die Geburtshelfer ungenügende medizinische Kenntnisse besaßen und die hygienischen Bedingungen unzureichend waren. Hausgeburten waren noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts die übliche Art der Geburten.
In der weiteren Entwicklung der medizinischen Betreuung der Einwohner zeigte sich jedoch bald, dass man einige eingangs genannte Krankheiten nicht mehr ohne stationäre Behandlung effektiv heilen konnte und das sich auch eine zentrale Geburtenstation anbot.
So trat am 8. September 1894 eine Medizinerkommission zusammen, die die hygienischen Verhältnisse in Laage wie folgt begutachtete: „Beschaffenheit der Häuser und Höfe deuten darauf hin, dass die wirtschaftliche Lage der Bevölkerung eine weniger günstige ist als in anderen Städten. Zusammenhängend damit ein Mangel an äußerer Sauberkeit. Der Mangel, kranken Menschen eine stationäre Behandlung zukommen zu lassen, macht sich immer stärker bemerkbar.
„Der Bau eines Krankenhauses ist dringend notwendig“, so die Aussage der Kommission. Im Jahre 1900 wurde dann der Beschluss gefasst, in Laage ein städtisches Krankenhaus zu errichten. Öffentliches Geld war jedoch nicht vorhanden. So musste man also, wie so oft schon, auf Spenden der gehobenen Gesellschaft hoffen. Und die ließ auch nicht lange auf sich warten. Die Gräfin Bassewitz aus Diekhof, Mitglied einer großen Adelsfamilie in Mecklenburg, überwies der Gemeinde Laage einen Betrag in Höhe von 22.000 Mark. Ein vom Architektenbüro Paul Korff und Alfred Krause erarbeitete Kostenvoranschlag belief sich auf 18.565 Mark.
Unter Leitung des Architektenbüros Korff/ Krause erfolgte dann auch die Bauausführung.
Am 09.04.1902 wurde die feierliche Einweihung vorgenommen. Die Gräfin Bassewitz, als maßgebliche Geldspenderin, war zu dieser Zeit auch Mitglied des am 27.2.1899 gegründeten Marien – Frauen – Vereins in Laage. Ein fürsorglich tätiger Verein. Im Verein waren damals adlige Frauen aus der Umgebung von Laage und Ehefrauen von angesehenen Laager Einwohnern. Darunter auch die Ehefrau des damaligen Laager Bürgermeisters Carl Klockow. Das Anliegen dieses Vereins war mit Sicherheit auch das Verfolgen allgemein humanitärer Zwecke, wie u.a. Hilfeleistungen auf allen Gebieten der Wohlfahrtspflege und in der Armenkrankenpflege. So kann man heute mit Recht behaupten, dass dieser Frauenverein eng mit dem Bürgermeisteramt, zumal der Bürgermeister noch als Schriftführer im Verein tätig war, bei der Entscheidungsfindung zum Bau eines Krankenhauses zusammengearbeitet hat. Während seiner Amtszeit, selbige endete in Laage im Jahre 1900, erlebte er die Inbetriebnahme des Krankenhauses jedoch nicht mehr. Vielleicht gehörte er zu Gästen der Einweihungsfeier, denn seine neue Bürgermeisterstelle in Waren war ja nicht weit von Laage entfernt. In Laage amtierte ab 02.04.1900 inzwischen der Bürgermeister Fritz Kähler, der als Stadtoberhaupt seine verantwortliche Rolle im Hinblick auf den Bau des Krankenhauses voll nachkam.
Nach der feierlichen Einweihung am 9.4.1902 traten in den darauffolgenden Jahren finanzielle Schwierigkeiten bei der Betreibung des Krankenhauses auf. In einem im Kreisarchiv Güstrow archivierten Bericht heißt es dazu wie folgt: „Das Krankenhaus war ursprünglich als eine Art Pflegeheim gedacht. Jede medizinische Behandlung erfolgte jeweilig von ihrem gewählten ortsansässigen Arzt. Betreut wurden die Kranken durch Pflegeeltern. Unzureichende Bezahlung und unzureichende Pflegekenntnisse führten sehr bald zur Verwaisung der Einrichtung. So dauerte es einige Jahre, bis diese Einrichtung zu dem wurde, was sie eigentlich sein sollte.
Im Jahre 1927, fast 25 Jahre nach der Einweihung des Hauses, wurde das System mit den ungeschulten Pflegeeltern eingestellt. Eine geprüfte Krankenpflegerin, die geprüfte Diakonieschwester Karoline übernahm die gesamte Verwaltung des Krankenhauses und die Betreuung der Patienten. Ihr zur Seite standen zwei Hilfskräfte und von 1930 an, noch eine zweite geprüfte Schwester, Meta Zitzow. In dieser Zeit begann auch die fachmännische Betreuung der werdenden Mütter einschließlich Geburt und Mütterberatung.
Meine persönliche Verbindung zum Laager Krankenhaus beginnt erst 33 Jahre später, denn laut Erzählungen meiner Mutter erblickte ich dort am 24.12.1935 das Licht der Welt. Meine Mutter und ich mussten aber in ein Krankenhaus nach Rostock verlegt werden, da ernste Komplikationen bei der Geburt in Laage nicht behandelt werden konnten.
Eine große Bewährungsprobe hatte das Krankenhaus in den letzten Kriegsmonaten, im Jahre 1945 und in den Monaten danach. In der Laager Stadtchronik von Peter Zeese gibt es dazu entsprechende Aussagen. In einem Bericht von Walter Booth mit dem Titel „Bericht über die Aufbauarbeit in der Stadtverwaltung Laage“ heißt es dazu u.a.: Die hohe Anzahl von durch Laage ziehenden Umsiedler, die große Anzahl von Zivilrussen und die damit verbundenen Krankheiten bzw. Seuchen übertrafen bei weitem die Kapazität des Krankenhauses. „ Für diesen Umstand reichte das Städtische Krankenhaus mit seinen 32 Betten nicht aus.
In Anbetracht der Notwendigkeit sah sich die Verwaltung gezwungen, weitere Krankenhäuser einzurichten, und zwar in der Henningsmühle, im Schloss Wardow, in den früheren Baracken des R.A.D. in Kobrow und im November 1945 auch in einer Villa in der Bahnhofstrasse.
Im Laufe der Zeit reichten auch diese Krankenhäuser nicht mehr aus, um die vielen Kranken aufzunehmen und so sah sich die Kreisverwaltung gezwungen, in Matgendorf das Schloss als Seuchenkrankenhaus einzurichten. Dank sei noch den Menschen zu sagen, die sich rücksichtslos zur Bekämpfung der Seuchen eingesetzt haben. Auch die Ärzte hatten in dieser Zeit keinen leichten Stand. Besonders sei hier noch erwähnt, dass der frühere Arzt Dr. med. Jwinski bei seinem heroischen Einsatz in den Krankenhäusern seinen Tod durch Ansteckung gefunden hat.“
„Seit dem 20.02.1946 konnte dann die Stadt Laage von dieser großen Belastung entbunden werden, weil der Kreis die Verwaltung der Krankenhäuser von Wardow und der Henningsmühle allein übernahm.“
Fast 30 Jahre später hatte ich noch einmal direkten Kontakt mit dem Krankenhaus in Laage, denn 1962 wurde hier mein erster Sohn, Norbert Dahl, geboren.
In den 1960er Jahren kam dann auch der Zeitpunkt, wo das Krankenhaus aus welchen Gründen auch immer geschlossen wurde. Quellen: Kreisarchiv Güstrow, persönliche Erinnerungen und Chronik der Stadt Laage von Peter Zeese von 1989.